In diesem Artikel möchte ich euch einen kleinen Einblick in unsere Herangehensweise in der Stilllife- und Foodfotografie geben. Ines & ich sind zwei Fotografen aus München und unser Schwerpunkt in der Fotografie ist zum einen die Portraitfotografie und zum anderen Stilllifefotografie und Produktfotografie.
Wie wir bei der Umsetzung eines Stilllifeshootings vorgehen, möchte ich euch anhand dieser 8-Schritte-Anleitung gerne zeigen.
1. Ideenfindung & -sammlung für die Stilllifefotografie:
An allererster Stelle braucht es eine Idee für eure Stilllife-Aufnahme. Ich persönlich sammle eigentlich ständig Fotos die mir gefallen - ob auf Pinterest oder Instagram, Magazinen oder Webblogs. Daher habe ich bereits einen großen Fundus an Ideen parat. Unseren Kunden können können entweder anhand eigener Bildideen den Look bestimmten oder sich von uns inspirieren lassen. So arbeiten wir uns Schritt für Schritt vor, bis wir verstehen, welche Bildästhetik sich die Agentur oder der Kunde von uns als Fotografen wünscht.
2. Bildanalyse der Favoriten:
Als nächstes werden die Favoriten herausgefiltert und ich fange an, sie zu untersuchen:
- Warum funktioniert ausgerechnet dieses Bild so gut?
- Gibt es ein Farbkonzept? (einheitliche Farbwelt oder kontrastierende Farben, pastellig oder knallig?)
- Sind die Gegenstände spannend angeordnet? (ggf. Anwendung des goldenen Schnitts?)
- Wie ist die Lichtstimmung - sonnige Erscheinung oder vielleicht eine dunkle stimmungsvolle Lichtatmosphäre? Harte Schattenrissen, die die grafische Anordnung unterstützen, oder weiche Schatten wie an einem bewölkten Tag, die das Bild sehr sanft erscheinen lassen.
- Welches Element ist der Hauptdarsteller (wie in diesem Fall die Honigmelone) und was wurde als dekoratives Element benutzt (Trauben, Mandeln, Leinentuch)?
Jetzt kann ein Moodboard für die Fotoproduktion erstellt werden. Übersetzt heißt das soviel wie "Stimmungs-Tafel". Es ist im Grunde nichts anderes wie eine systematisch aufbereitete Präsentation der Bildsammlungen, die in die einzelnen Elemente zerlegt wird, wie z.B.:
- Beispielbilder für Lichtstimmungen
- Beispielbilder für Farbkonzepte die mit dem Hauptprodukt gut harmonieren oder kontrastieren
- Beispielbilder für Requisiten unterstützen den Charakter des Produktes und setzen es in eine Szenerie
- Beispielbilder für Perspektiven (Top-Down-Shot, sehr weitwinklig, von unten...)
- Beispielbilder für das Styling (grafische Anordnung, wild angeordnet, luxuriös, beiläufig wirkend)
3. Auswahl des Hauptdarstellers (Produkt)
Sucht euch einen Gegenstand aus, der euer Hauptdarsteller sein wird. In unserem Fall ist es natürlich oft ein Produkt eines Kunden, welches optimal in Szene gesetzt werden soll für dessen Webshop, Katalog oder Werbekampagne.
4. Auswahl von Requisisten
Durch die Auswahl der passenden Requisiten wird erst ein Schuh draus - sie erwecken euren Gegenstand zum Leben und zeigen ihn in einer Szene, die die verschiedenste Anmutung vermitteln kann. Bei der Auswahl der Requisiten ist es meiner Meinung nach wichtig auf die Farbgebung zu achten, die mit eurem Hauptdarsteller und auch dem gewählten Hintergrund harmoniert oder kontrastiert.
5. Auswahl eines Fotountergrundes
Hier gibt es eine Vielzahl von Möglichkeiten: Von Fotohintergrund-Rollen aus Papier (aber Achtung bei feuchten Gegenständen - das gibt Flecken!), Holzplatten, Tapeten, Stoffe, Acrylglas-Platten, natürliche Materialen wie Steine, Sand etc. - hier könnt ihr auch einfach mal einen Spaziergang durch euren nächstgelegenen Baumarkt machen, das inspiriert mich zumindest immer sehr. Wir haben mittlerweile ziemlich viele Untergründe in unserem Fotostudio in München angesammelt.
6. Bildgestaltung des Stilllifes:
Wie du siehst, sind eine Vielzahl an Entscheidungen zu treffen, bis die eigentliche Arbeit - das Stilllifeshooting anfangen kann. Es gibt keine allgemein gültigen Regeln in der Bildgestaltung, es ist alles reine Übungssache. Als anfängliche Lektüre kann man sicherlich mal nach Stichwörtern wie "goldener Schnitt" oder "Zwei-Drittel-Regel" im Internet suchen. Aber ob man das Objekt nun im Goldenen Schnitt, als Top-Down-Shot, angeschnitten oder in Zentralperspektive zeigt, hängt ganz von Eurem Geschmack ab. Genauso verhält es sich mit der Wahl des Kamerastandpunkts und der Wahl der Brennweite. Wichtig ist, dass man weiß, für was man sich entscheidet, um die richtige Bildwirkung zu erzielen.
Ab jetzt heißt es: Ausprobieren, ausprobieren, ausprobieren. Mit einer gewissen Routine geht das sicherlich schneller von der Hand als als blutiger Anfänger.
Nicht selten dauert es mehrere Stunden bei komplexeren Stilllifes, bis man DAS perfekte Ergebnis im Kasten hat.
7. Lichtsetzung
Wir arbeiten ausschließlich mit professionellem Studio-Blitzlicht (Profoto) in unserem Fotostudio in München. Wir nehmen je nach Lichtstimmung unterschiedlichste Lichtformer, die das Licht so formen wie wir es für den gewünschten Look benötigen. Softboxen von Chimera oder Profoto machen sehr, sehr schönes globales weiches Licht, während man mit einem Normalreflektor mit Wabe z.B. sehr gerichtetes, spotartiges Licht erhält. Auch der Einsatz von Gobos oder Fresnel-Spots kann für sonniges Licht mit harten Schatten sehr interessant sein. Da die Bandbreite an Möglichkeiten hier so groß ist, werde ich an dieser Stellen garnicht näher darauf eingehen, da der Artikel sonst den Rahmen sprengen würde.
8. Bildretusche
Neben der Anpassung des Bildlooks (Kontraste, Helligkeit, Farbtonung etc.) kommt die aufwändige Feinretusche. Hier werden zuerst störende Elemente entfernt - Staub, Krümel, Flecken. Je nach Beschaffenheit der Objekte muss manchmal auch mit Focus-Stacking gearbeitet werden, damit gerade größere Objekte oder Objekte, die stark vergrößert abgebildet werden (z.B. Schmuck) von vorne bis hinten scharf sind.
Retusche-Arbeiten sind auch je nach Kundenwunsch sehr individuell - teilweise sind die Produkte und Requisiten sehr dankbar, dann reicht vielleicht sogar nur eine Staubretusche. Bei stark spiegelnden, glänzenden oder transparenten Gegenständen kann eine Retusche unter Umständen sehr komplex werden und man muss mehrere Aufnahmen mit verschiedenen Einspiegelungen fotografieren, die dann im Nachgang in Photoshop zusammenbaut werden.
Ich hoffe, ich konnte euch einen kleinen Einblick in unsere Herangehensweise bei der Stilllife-Fotografie geben und freue mich auf Fragen & Kommentare.
Liebe Grüße,
Julia
www.auen60.de
info@auen60.de
Fotografin München, Glockenbachviertel
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